Für Karpfen-Fans fängt die heiße Zeit schon an, wenn die Nächte noch kalt sind: im März, spätestens April. Das Angeln früh im Jahr ist manchmal erstaunlich einfach, kann aber auch schwierig werden. Fädeln wir ein paar Boilies auf und gehen es an! Brrr! Das ist jetzt aber kein Frühling mehr. Ich tausche kurzärmeliges T- gegen langärmeliges Rollkragen-Shirt und Baseball Cap gegen Wollmütze. Mit der Sonne sinken die Temperaturen und in der Nacht soll sich das Quecksilber auch wieder unter der Fünf-Grad-Marke verkriechen.

Trotzdem bin ich nach wie vor sicher, dass ich mit dem Wind auf die Nase richtig sitze. Ein kurzer Kontrollgang mit dem Thermometer bei Ankunft am Nachmittag hat Klarheit gebracht: Der Wind drückt das von der Frühlingssonne erwärmte Wasser auf dieses Ufer. Konkret bedeutet das 12,2 Grad auf meiner und nur 10,1 Grad auf der gegenüberliegenden Seite der Bucht.

Erstes Grün & erste Bisse
Erstes Grün & erste Bisse
Klare Entscheidung

Während ich jetzt im letzten Licht angestrengt das Wasser vor mir nach Fischaktivitäten absuche, piept mein linker Bissanzeiger, um eine Sekunde später die knarrende Rollenbremse mit seinem Dauerpfeiffen zu übertönen. Einen kleinen Jubler kann ich nicht unterdrücken, als fünf Minuten später mein erster Karpfen in den Kescher gleitet. Kopflampe an und erstmal genießen: Ein toller Spiegler weit oberhalb der Zehn-Kilo-Marke liegt da in den Maschen. Und vorfüttern musste ich für diesen Erfolg auch nicht.

Präzision statt Futter

Einen großen Pluspunkt hat die frühe Angelei auf Schuppis und Spiegler: Zu keiner anderen Zeit in der normalen Saison ist Vorfüttern weniger wichtig als jetzt. Die erste Tour des Jahres bereite ich heute gar nicht mehr mit Eimerchen, Wurfkelle oder Boilie-Rohr vor. Fische finden ist gerade jetzt deutlich wichtiger als Fische füttern. Im noch kalten Wasser fressen die Burschen einfach wenig und ziehen oft auch noch keine weiten Strecken im Gewässer herum. Schnell „versenken“ wir unser Futter dort, wo gar kein Rüssler vorbeikommt. Oder wir füttern die Burschen schon ab, bevor wir eine Montage im Wasser haben. Außerdem macht uns Vorfüttern die Entscheidung am Angeltag schwer: Dort, wo wir gefüttert haben, regt sich kein Leben im Wasser, während an anderer Stelle reichlich Rotaugen plätschern und auch eine erste, karpfenverdächtige Bugwelle durchs Flachwasser schiebt. Leicht entscheiden wir dann gegen das Bauchgefühl und bauen dort auf, wo wir gefüttert haben: Die Vorarbeit soll ja auch nicht umsonst gewesen sein! Deshalb: lieber nicht vorfüttern und dafür flexibel dort fischen, wo es gerade am aussichtsreichsten ist. Das ist oft die Uferseite, auf die der warme Wind steht. Kommt es allerdings unangenehm kühl über den Teich, fühlen nicht nur wir uns dort wohler, wo wir Windschutz und etwas Sonne genießen dürfen.

Auffallen!

Typisches Bild an vielen Gewässern in der Phase März/April: Das Wasser steht etwas höher als üblich und ist stark eingetrübt. Da halten wir es am besten so wie ein Spinnfischer es auch bei seiner Köderwahl tut: grelle Köder für trübes Wasser. Unangenehme Erfahrungen mit bunten Kugeln sind den Winter über selbst an stark beangelten Gewässern bei vielen Fischen offensichtlich in Vergessenheit geraten. Erste Wahl am Haar unseres Hakens sind jetzt kleinere und vor allem grelle Murmeln. Ein weißer, gelber oder pinkfarbener Boilie in 12 oder 15 Millimetern trifft den Geschmack der Karpfen oft perfekt. Ach ja, es darf gern ein Pop Up (auftreibender Boilie) oder ein Kombi aus Sinker und Pop Up sein. Natürlich können wir auch einfach zu unserem eher unscheinbaren Lieblingsboilie greifen und diesen aufpimpen. Vielleicht setzen wir oben jetzt einfach ein grelles, buntes Gummimaiskorn drauf – schon fällt der Happen den Fischen viel schneller ins Auge. Oder wir panieren die Karpfenkugel mit aromastarkem und grellem Pulver- Dip. Und auch all die flüssigen Dips in wohlriechenden Duftnoten erleben jetzt ebenfalls ihre Hochphase. Die perfekte Ergänzung zu unserem grellen Hakenköder ist – nicht nur im Frühjahr – ein wasserlösliches Säckchen (PVA-Beutel oder -Netz) mit kleineren Fischpellets oder zerbröselten Boilies.

Stunden, nicht Tage

Im Herbst bleibe ich auch gerne mal mehrere Tage am Wasser und genieße es, wenn die hungrigen Karpfen meinen Futterplatz angenommen haben. Im Frühjahr klappt es auch prima mit kurzen Touren. Ganze Nächte sind oft unnötig, denn wenn das Thermometer nachts ohnehin wieder in karpfenunfreundliche Bereiche rutscht, können wir lieber zu Hause im eigenen Bett schlafen als am See auf einen unwahrscheinlichen Biss warten. Wollen wir trotzdem bis zum Morgen bleiben, legen wir auf jeden Fall mindestens eine Rute etwas tiefer. Vielleicht frisst ja noch ein Fisch bei zwei Metern munter weiter, wenn es bei einem Meter nachts zu kalt wird. Je kälter die Nächte sind, desto sinnvoller wird es, die Angelzeit auf die Nachmittag oder frühen Abendstunden zu legen.

Leichter und länger Eine ganz heiße Adresse für unsere Montagen ist zu Saisonbeginn jeder Bereich, der später im Jahr üppige See- oder Teichrosenfelder hervorbringt. Lange bevor sich das erste Grün an der Oberfläche zeigt, entfalten sich die Grundblätter der Pflanzen und locken allerlei Kleingetier an, dass Grün zum Fressen gern hat. Gartenbesitzer kennen das von den Blattläusen: Die ersten Knospen der liebevoll gehegten Pflanzen sind beliebte Beute bei den hungrigen Parasiten. Seerosenecken haben allerdings oft etwas weicheren Boden und dieser stellt seine eigenen Anforderungen an unsere Montage. Als erstes wählen wir das Blei lieber leichter. 70 Gramm zum Beispiel reichen bei kleinen Ködern und den dazu passenden kleinen Haken für den Selbsthakeffekt völlig aus – und versinken eben nicht tief im Untergrund. Etwas einsinken darf das Ganze gerne, denn eine bessere Tarnung für die Montage gibt es nicht. Länger als auf hartem Boden ist hier das perfekte Vorfach. Wo sonst 15 reichen, gehen wir jetzt auf 20 bis 25 Zentimeter. Ich setze gerne weiches, geflochtenes Material ein, dass ich mit Knetblei oder speziellen Tungstengewichten zum Aufziehen (Sinkers von Korda) daran hindere, auffällige, schwimmende Schlaufen überm Boden zu bilden. Schön weiche Monofile ist eine gute und sehr günstige Alternative für unser Vorfach. Durchmesser: 0,35 bis 0,40 Millimeter.

Mit einem bin ich mir sicher: Wenn ein gerade erwachter Karpfen zwischen den hellgrünen Grundblättern der Seerosen plötzlich etwas Duftendes in Pink entdeckt, dann reagiert er immer gleich: einsaugen! Und schon piept der Bissanzeiger mit den Vögeln um die Wette!

Arnulf Ehrchen