Als es für mich vor vielen Jahren zum erstem Mal an die Küste zum Heringsangeln ging, gab mir ein Angelfreund einen guten Rat: „Nimm die weißen Paternoster, nur die mit echter Fischhaut und dann musst du immer so reißen mit der Rute.“

Der erste Versuch, Heringe damals noch im Rostocker Überseehafen zu fangen, ging gründlich daneben. Ein ganzer Angeltag brachte gerade mal fünf Heringe. Heute, gut 15 Jahre später, hat sich so mancher Kübel mit den Heringen gefüllt. Doch von dem guten Ratschlag des Angelfreundes von damals ist nicht mehr allzu viel übrig geblieben. Denn es hat sich gezeigt, dass die weißen Fischhaut-Paternoster nicht unbedingt die beste Wahl sind. Um den Beweis für diese Erkenntnis anzutreten, haben wir verschiedene Paternoster getestet, und festgestellt: Sowohl das Paternoster als auch die Köderführung entscheiden darüber, wie voll der Eimer am Ende wird. Heringe zu fangen, wenn der Fisch gestapelt im Hafen steht, ist keine Kunst. Die Herausforderung besteht vor allem darin, die Heringe zum Anbiss zu überreden, wenn sie eigentlich gar nicht so richtig beißen wollen. Zuerst ist da die Köderführung. Viele Heringsangler reißen die Paternoster förmlich mit einer langen Rute in die Höhe und lassen sie dann wieder absinken, in der Hoffnung ein Hering schnappt sich einen der Köder. Dabei bringt eine langsame Köderführung meistens mehr Fische.

Heringsangeln
Heringsangeln
Heringsangeln

Strömung beachten

An der Küste und in den Häfen gibt es immer Unterströmungen von auflaufenden und ablaufendem Wasser, und auch der Wind spielt eine nicht zu unterschätzende Rolle. Wie beim Angeln mit Kunstködern im Süßwasser setzt setze ich beim Heringsangeln gern die Faulenzermethode ein. Ich arbeite also nur über die Rolle und halte die Rute weitgehen still. Das Blei liegt auf dem Grund, die Schnur wird einfach straff gehalten. Durch die Strömung im Wasser tänzeln die einzelnen Seitenarme mit den Ködern des Paternosters über dem Grund. Ganz langsam Stück für Stück wird das Paternoster heran gekurbelt und nur leicht gezupft. Dann der erst. Kontakt: Tok. Der Fisch hängt und ich spüre den leichten Zug. Wer jetzt noch einen Moment warten kann, holt vielleicht auch noch den zweiten oder dritten Hering mit ans Paternoster. Ganz langsam wird die Montage mit Fisch heran gekurbelt und oft fasst noch ein zweiter oder dritter Artgenosse zu, um den ersten Zubeißer in den Eimer zu begleiten. Manchmal sind die Strömungen aber auch sehr stark. Zum Beispiel auf dem Rügendamm kann der Wind einen entscheidenden Beitrag dazu leisten. Hier habe ich dann zum Teil mit einem 80 Gramm Birnenblei gefischt, um die Montage am Grund zu halten. Leichtes zupfen hat dann schon gereicht, damit die Fische zum Biss verleitet werden. Nimmt man ein zu schweres Blei, kann man aber schnell an den Heringen vorbei angeln. Dann nämlich, wenn sie in großen Schwärmen im Mittelwasser ziehen. Dann finden sie unseren Köder am Grund natürlich nicht. Für den Fall haben sich leichte Heringsbleie von 35 Gramm aber auch leichte Blinker bewährt. Sie trudeln nur langsam an der straff gespannten Schnur zum Grund und taumeln dabei länger als ein schweres Blei zwischen den ziehenden Heringen, die dadurch mehr Zeit haben, sich unseren Köder zu schnappen.

Farbenspiele

Nicht immer sind die einfachen, weißen Paternoster der Bringer, um den Heringseimer zu füllen. Ich habe nun schon einige Tage an der Küste erlebt, an denen die Angler dicht an dicht standen, aber nur einige von ihnen wirklich gut gefangen haben. Der Grund dafür war wirklich der Paternoster. Farbige Paternoster aus Silikonfolien, manchmal noch mit kleinen Glitzerstreifen garniert, haben an vielen Tagen deutlich mehr Fische in meine Kiste gebracht als die weißen der benachbarten Angler. Es ist dann schon erstaunlich mit anzusehen, wie die Angelkollegen immer nervöser und hektischer werden, wenn man einen Fisch nach dem anderen aus dem Wasser zieht und bei ihnen der Haken leer bleibt. Einige haben dann verzweifelt die Stele gewechselt. Anderen habe ich ein Paternoster geliehen und siehe da: Auch bei ihnen bissen die Heringe plötzlich. Woran diese Farbenfreude der Heringe liegt, kann ich nicht genau sagen. Bei hellem Wetter funktionieren die farbigen Paternoster jedenfalls deutlich besser und bringen zum Teil dreimal so viel Hering wie die einfachen, weißen Heringspaternoster mit der Fischhaut in die Kiste. Vor allem auf dem Rügendamm , wo die Angler zur Saison Schulter an Schulter stehen, sind die Unterschiede sehr deutlich.

Fische suchen

In vielen Bereichen der Ostsee muss man die Heringe immer wieder suchen. Ich erlebe das zum Beispiel an der Rostocker Warnow. Mal sind die Fische im Bereich des Stadthafens, mal viel weiter Stromab. Mal stehen sie am Rande der Fahrrinne und mal im Meter tiefen Wasser direkt an den Schilfkanten. Wenn man sich hier eine halbe Stunde an einer Stelle aufgehalten hat, ohne einen Hering am Band gehabt zu haben, sollte man die Stelle wechseln. Im Frühjahr gibt es vor allem in Rostock regelrechte Heringswanderungen der Angler an den Ufern. Die Angler sind mit Mofas, Fahrrädern und Autos ununterbrochen unterwegs, um auszukundschaften, wo sich die Fische aufhalten und wo gerade gefangen wird. Um sich selbst die Suche zu erleichtern, sollte man mit den anderen Heringssuchern ruhig einige Worte wechseln. So findet man schnell heraus, wo sich ein Versuch lohnt und welche Stellen man besser gar nicht anfährt. Erfahrungsgemäß beißen die Heringe vor allem in den Morgen- und Abendstunden am besten. Aber auch tagsüber kann immer mal wieder ein starker Schwarm hereinkommen und ganz schnell 30 oder 40 Fische in die Kiste bringen. Man kann beim Heringsangeln Sternstunden erleben, aber auch hin und wieder Schneider bleiben. Auf jeden Fall ist eines sicher: Auch das Heringsangeln ist nicht kinderleicht und der Hering kein dummer Fisch, dem man nur irgendein Paternoster vor die Nase zu werfen braucht, damit er sich wie von Sinnen drauf stürzt. Auch der Hering will nach allen Regeln der anglerischen Kunst verführt werden, bevor er sich als Lohn der Mühe in unsere Fischkiste gesellt und anschließend in der Pfanne gebräunt oder im Rauch vergoldet wird.

Thomas Bein