Die negativen Auswirkungen des übermäßigen Bestandes von Kormoranen (Phalacrocorax carbo) in Europa, in Deutschland und in Thüringen sowie die möglichen Gegenmaßnahmen wurden bereits wiederholt dargestellt.

Wie jahrelange Erfahrungen und wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, verursachen die Fisch fressenden Vögel vor allem folgende Schäden in Aquakulturbetrieben sowie in den Fischbeständen zahlreicher Wildfischarten in den Binnengewässern und an den Meeresküsten:

  • Fischfraß der verschiedenen Fischarten unabhängig von ihren Mindestmaßen, Schonzeiten; Laichzeiten und ihrem Schutzstatus
  • Vernichtung wertvoller Satz- und Speisefische in Teichen und Anlagen der Aquakultur
  • Nahrungskonkurrenz gegenüber Raubfischen durch Vernichtung wichtiger Beutefische in den Gewässern
  • Dezimierung vieler Fischarten bereits vor dem Erreichen ihrer Laichreife
  • Belastungen und Energieverluste der Fische durch starke Scheuchwirkungen
  • Verletzungen der Fische mit umfangreichen Spätfolgen und Sekundärinfektionen
  • Übertragung von Fischkrankheiten in andere Gewässer
  • Verringerung der genetischen Vielfalt der Fische in den Gewässern
  • Schäden an der Vegetation in bestimmten Kormoranbrutgebieten

Angesichts der verheerenden Auswirkungen wurde auf Initiative des deutschen Abgeordneten Dr. Heinz Kindermann eine Entschließung „Über die Erstellung eines Europäischen Kormoran-Managements zur Reduzierung der zunehmenden Schäden durch Kormorane für Fischbestände, Fischerei und Aquakultur“ erarbeitet, die vom Europäischen Parlament am 4. Dezember 2008 mit überwältigender Mehrheit angenommen wurde (2008/2177 INI). Darin wird deutlich gemacht, dass die Bestände des Kormorans im Gebiet der Europäischen Union schnell angewachsen sind. Ihre Gesamtpopulation hat sich in den letzten 25 Jahren verzwanzigfacht und liegt heute bei einer Mindestschätzung von 1,7 bis 1,8 Millionen Vögeln. Dadurch kommt es in vielen Mitgliedsstaaten zu nachweisbaren und nachhaltigen Schäden. Es wird betont, dass die Umsetzung eines ökosystemorientierten Ansatzes zur Bewirtschaftung der Meeres-, Küsten- und Binnengewässer einer ausgewogenen Politik bedarf, die einen Ausgleich zwischen den unterschiedlichen Zielen des Vogelschutzes und der Erhaltung einer vielfältigen Vogel und Fischfauna sowie den Interessen von Fischern und Teichwirten an der wirtschaftlichen Nutzung der Fischbestände sichern kann. Die Verordnung (EG) Nr. 1100/2007 des Rates mit Maßnahmen zur Wiederauffüllung des Bestandes des Europäischen Aals wird als ein Beispiel für eine solche ausgewogene Politik angeführt.

Neue Aspekte zum europäischen Kormoran-Management
© Dieter Schütz – pixelio.de
Neue Aspekte zum europäischen Kormoran-Management
Ein von Kormoran angehakter Karpfen

Die Gefahren der überproportionalen Zunahme von Schäden werden umso größer, je mehr sich die Zahl der Kormorane der Tragfähigkeitsgrenze großflächiger Gewässer nähert. Außerdem wird die Wirksamkeit lokaler Abwehrmaßnahmen stark eingeschränkt, weil die Kormorane als Zugvögel weite Wanderungen unternehmen. Obwohl die Mitgliedsstaaten Möglichkeiten zur Begrenzung der durch Kormorane verursachten Schäden haben, kann ein nachhaltiges Management der Bestände nur durch ein koordiniertes Vorgehen in der Europäischen Union gesichert werden, wie das die am 4. Dezember 2008 vom Plenum des Europäischen Parlaments angenommene Entschließung mit 13 wichtigen Forderungen verdeutlicht. Mit der Forderung 7 wird die Europäische Kommission eindeutig zum Handeln aufgefordert: „Das Europäische Parlament fordert die Kommission auf, einen mehrstufigen europäischen Bestandsmanagementplan für Kormorane vorzulegen, der die Kormoranbestände langfristig in die Kulturlandschaft integriert, ohne die Ziele von Vogelschutzrichtlinie und Natura 2000 im Bereich der Fischarten und Gewässerökosysteme zu gefährden.“

Am 29. Januar 2009 fand eine Beratung von Vertretern aus den EU-Mitgliedsländern statt, die sich mit den Ergebnissen einer zuvor durchgeführten Telefonumfrage zur Kormoransituation in Europa befasste. Im Ergebnis der Beratung wird die Meinung vertreten, dass aufgrund der unterschiedlichen Konfliktsituationen mit Kormoranen in den verschiedenen Regionen eine Koordinierung nationaler Maßnahmen wirksamer wäre als die Schaffung eines EU-weiten Managementplanes.

In einer weiteren Beratung am 31. März 2009 in Brüssel berieten 50 Teilnehmer aus den Bereichen des Natur- und Vogelschutzes sowie der Fischerei der Mitgliedsstaaten u.a. folgende Fragen: Wie werden Bestandseingriffe vorgenommen, was ist gute Praxis, und wie kann sie verbessert werden? Wie können die Mitgliedsstaaten Managementpläne durchführen, und wie kann das gefördert werden? Die Europäische Angler Allianz (EAA) legte dazu ein umfangreiches Positionspapier über Methoden zum Monitoring der Kormoranpopulation vor. Darin wird die Notwendigkeit betont, ein geeignetes Modell für die Bestandsabschätzung zu entwickeln, weil die Kormoranpopulation weit größer als die Zahl der Brutvögel ist. Von anderer Seite wurde darauf hingewiesen, dass Schäden durch Kormorane nur in einigen Ländern auftreten und die Europäische Union die Aktionen der betroffenen Mitgliedsstaaten fördern will. Letztlich wird nachdrücklich darauf hingewiesen, dass Fische nicht schutzlos bleiben dürfen und hohe Kormoranzahlen z.B. starken Fraßdruck auf den Aal ausüben. Als brauchbare Maßnahmen für das Kormoranmanagement werden z.B. dargestellt:

  • Störung einer großen Zahl von Brutkolonienin ganz Europa während der Brutsaison in den kommenden 10 Jahren, wodurch der Bruterfolg entscheidend reduziert wird.
  • Gleichzeitig können Abschüsse oder Verscheuchen der Vögel in der Nähe von Gewässern, in denen der Aal zu schützen ist, unterstützend wirken.

Im Gesamtergebnis der Beratung wird deutlich, dass die EU-Kommission derzeit offensichtlich nicht gewillt ist, die Forderungen, die vom Europäischen Parlament in Übereinstimmung mit den wissenschaftlichen Empfehlungen der European Inland Fisheries Advisory Commission gestellt wurden, zu erfüllen. Dem Demokratieverständnis wird mit dieser Haltung der EU-Kommission kein guter Dienst erwiesen.

Die bisher erfolglose Umsetzung der Forderungen des Europäischen Parlaments wird inzwischen von einer regelrechten Kampfansage gegen die Fischerei durch den Naturschutzbund Deutschland (NABU) und den Landesverbund für Vogelschutz in Bayern (LBV) übertroffen, die den Kormoran am 9. Oktober 2009 zum Vogel des Jahres 2010 wählten. Abgeordnete des EU-Parlaments und des Deutschen Bundestages sowie die Fischereiverbände haben gegen diese Kür des Kormorans zum Vogel des Jahres 2010 deutlich Stellung bezogen. Sie betrachten die Wahl als pauschalisierend, ungenau, unzutreffend und damit schlichtweg falsch. Sie ist eine Provokation, die Zweifel an der Kompetenz des NABU und LVB aufkommen lässt.

Der Kormoran befindet sich in Deutschland und Europa in einem hervorragenden Erhaltungsstatus der spezielle Schutzmaßnahmen nicht rechtfertigt. Durch seine starke Vermehrung und Ausbreitung in Regionen, die er vorher nicht besiedelte, ist er zu einer Tierart geworden, die nachhaltige Schäden in der Kulturlandschaft und insbesondere an den Fischpopulationen verursacht. Darüber hinaus kommt es zu erheblichen soziokulturellen und wirtschaftlichen Verlusten für die Fischerei und damit für die menschliche Gesellschaft.

Angesichts der vorliegenden wissenschaftlichen Fakten ergibt sich die Notwendigkeit für wirksame regulierende Maßnahmen in Form eines europaweiten Kormoran-Managements, das die Interessen aller Seiten berücksichtigt. Dieses Ziel muss auf allen Bereichen weiter verfolgt werden. Bis es der Fischerei mit Unterstützung der Politik gelingt, die dringend notwendige europäische Lösung des Kormoranproblems umzusetzen, bestehen in den EU-Mitgliedsländern nur die beschränkten nationalen Möglichkeiten. Gem. einem Diskussionspapier der Europäischen Kommission vom 5. August 2009 zum Entwurf eines Leitfadens über Ausnahmemöglichkeiten nach Artikel 9 der europäischen Vogelschutzrichtlinie, sollte dort wo es gerechtfertigt ist und keine anderen Lösungen existieren, von diesen Ausnahmeregelungen voller Gebrauch gemacht werden.