Die Apfelstädt darf nicht dem politischen Kalkül zum Opfer fallen Sie stehen als Ministerpräsident in der Verantwortung
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Ramelow,
zunächst möchten wir Ihnen, wie auch schon im vergangenen Jahr, ein gesundes und gutes neues Jahr 2023 wünschen. Bereits an dieser Wiederholung sehen Sie, dass unser Anliegen nach wie vor aktuell ist. Zu unser aller Ernüchterung, Befremden und Erstaunen ist im vergangenen Jahr außer Ankündigungsaktionismus aus dem Thüringer Umweltministerium zur Rettung des Lebensraums der Apfelstädt nichts geschehen.
In den vergangenen Monaten haben wir uns als Bürgerinnen und Bürger, die an der Apfelstädt beheimatet sind, mehrfach und auf verschieden Wegen an Sie gewandt – stets erfolglos. Ernüchtert müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass das berechtigte Anliegen der Bürger, die Apfelstädt als Teil ihrer Heimat zu erhalten, die Staatsregierung nicht zu interessieren scheint. Entweder wurde auf unsere Schreiben gar nicht oder nur zögerlich reagiert und wenn, dann stets mit einer Verweisung an das Thüringer Umweltministerium. Dort wurden unsere Einwände bislang nicht nur nicht gehört, sondern diskreditiert, abgetan und klein geredet und dass, obwohl die Folgen der trockenen Apfelstädt offensichtlich und jeden Tag erlebbar sind. Seit Inbetriebnahme der in der Westringkaskade betriebenen Wasserkraftanlagen und dem damit verbundenen geänderten Bewirtschaftungsregime der Talsperren Tambach – Dietharz und Schmalwasser wird die Apfelstädt über Monate nahezu trockengelegt. Die Apfelstädt und das damit verbundene FFH-Gebiet der Apfelstädtaue wird als natürlicher Lebensraum über Kilometer zerstört.
Der Verlust dieser natürlichen schützenswerten Flussaue steht nach unserem Verständnis in keinerlei Verhältnis zu dem produzierten Strom der Wasserkraftturbinen.
Unsere Talsperren verzeichnen in diesem Jahr historisch geringe Füllstände, welche von der Thüringer Fernwasserversorgung AöR und dem TLUBN auf geringe Niederschläge und trockene Jahre zurückgeführt werden. Trotz dieser Tatsachen, werden die Wasserkraftanlagen in der Westringkaskade maximal beaufschlagt. Das marginal abgegebene Mindestwasser in die Apfelstädt ist nicht im Ansatz ausreichend, den Lebensraum der Apfelstädt zu erhalten. Das ist allgemein bekannt.
Die Auswirkungen des Betriebes der Wasserkraftanlagen in der Apfelstädt, wie Niedrigwasser und Trockenfallen der Apfelstädt, wurden im Managmentplan FFH Gebiet 55 (DE 5030-302) von
2019 bereits aufgezeigt, jedoch von den Verantwortlichen ignoriert, womit bewusst das Trockenfallen der Apfelstädt herbeigeführt und die Zerstörung der Flussaue billigend in Kauf genommen wurde. Man geht hier sogar noch einen Schritt weiter und überarbeitet den Managementplan des FFH-Gebietes, um hier die naturschutzfachlichen Rahmenbedingungen zugunsten der Wasserkraftanlagen in der Westringkaskade zu ändern. Was für eine Scharade.
Verschiedene Gutachten und Dokumentationen von Fachleuten belegen den Zusammenhang des Betriebes der Wasserkraftanlagen in der Westringkaskade und dem fehlenden Wasser im Flusslauf der Apfelstädt, welche erhebliche Beeinträchtigungen für die relevanten Arten der Flora und Fauna im FFH-Gebiet verursachen. Beispielsweise lässt ein aktuelles Gutachten von Herrn Rechtsanwalt Dr. Marcus Lau, beauftragt durch die Mühlenbetreiber der Apfelstädt, Frau Susanne Strobel und Herrn Matthias Platz, Rechtsbeugung, ja sogar Rechtsbruch, vermuten.
Rechtsanwalt Dr. Lau bezieht sich dabei auf die für den Betrieb der Westringkaskade genutzten alten Wasserrechte, welche für den Betrieb der Talsperren Schmalwasser und Tambach- Dietharz nicht existieren, weil die Voraussetzungen der §§ 20,21 WHG nicht vorliegen und somit die Altrechtsfeststellung wegen gravierender Rechtsfehler nach § 44 I ThürVwVfG nichtig ist. Des Weiteren wurden dringend erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfungen nicht oder nur unzureichend durchgeführt. Aus diesem Grund, liegt nach § 4 I 1 Nr. 1 UmwRG ein absoluter Verfahrensfehler vor, da die maßgeblichen Auswirkungen des Betriebes der Wasserkraftanlagen in der Westringkaskade nicht geprüft wurden. Zum gleichen Ergebnis kommt die Antwort auf unsere Beschwerde CHAP (2020)3399 vom 22.11.2020 bei der EUROPÄISCHEN KOMMISSION GENERALDIREKTION UMWELT (ENV.E.3 – Durchsetzung Umweltrecht). Hier wird ausgeführt, dass das Gebiet „Apfelstädtaue zwischen Wechmar und Neudietendorf“ (DE 2030-03) nach der FFH – Richtlinie geschützt ist. Soweit Pläne oder Projekte das Gebiet erheblich beeinträchtigen können, ist gemäß Art. 6 Abs. 3 FFH – Richtlinien eine Verträglichkeitsprüfung zwingend durchzuführen.
Die Empfehlung der EUROPÄISCHEN KOMMISSION ist daher, die Klage durch einen nach § 3 Umwelt – Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG) anerkannten Verband.
Aufgrund der teilweise personellen Verquickungen zwischen anerkannten Umweltverbänden, wie beim BUND Thüringen, und den an der Koalition beteiligten Grünen, fällt sogar der elementare Umweltschutz hier Parteiinteressen zum Opfer. All diese Ergebnisse wurden durch uns als Bürgerinitiative in den letzten Jahren und Monaten offen über alle Gremien bis hin zum Thüringer Landtag kommuniziert. Im Ergebnis gibt es für den Lebensraum Apfelstädt bisher immer noch keine Lösung. Das ist Ihnen bekannt.
Der jüngst aus der Taufe gehobene Begleitausschuss Apfelstädt, der ein Monitoring, das die Auswirkung des Niedrigwassers in der Apfelstädt dokumentieren soll, flankiert, ist eine fachliche Farce. Diesen Ausschuss gibt es nur aufgrund des anhaltenden Drucks der Bürgerinitiative Lebensraum Apfelstädt und er dient lediglich dazu, den Bürgern eine vermeintliche Partizipation an den Entscheidungswegen zur Apfelstädt zu vermitteln. Tatsächlich geht es aber darum, die getätigten Investitionen für den Bau der Wasserkraftanlagen in der Westringkaskade aus dem Blickfeld zu nehmen.
Dies zeigt sich allein schon an den Aussagen des anwesenden Vertreters des TMUEN beim Termin zur konstituierenden Sitzung vom Begleitausschuss Apfelstädt am 21.11.2022: „Es ist nicht Bestandteil der Diskussion des Begleitausschusses, dass die Wasserkraftanlagen möglicherweise der Grund ist für das fehlende Wasser der Apfelstädt sind. Eine Abschaltung der Wasserkraftanlagen steht aktuell nicht zur Debatte.“
Die Bürger haben unbestritten ein Recht darauf, dass staatliche Institutionen und Behörden vollumfänglich rechtsstaatlich Handeln. Dazu zählen auch rechtskonforme Genehmigungsverfahren und Bescheide. Der Rechtsstaat beginnt nicht erst mit der Möglichkeit, den Klageweg beschreiten zu können. Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ist das Kernstück des Rechtsstaatsprinzips nach Art. 20 Abs. 3 GG. Keine Behörde darf von durch Rechtsnormen getroffenen zwingenden Regelungen abweichen.
Das, was wir aber hier in den letzten Monaten und Jahren erleben durften, hat unser Vertrauen in den Rechtsstaat massiv erschüttert. Der Rechtsstaat ist dem Koalitionsfrieden, politischen
Partikularinteressen und einem fragwürdigen Selbstverständnis der agierenden Personen im TMUEN und im TLUBN zum Opfer gefallen. Was für eine Bankrotterklärung des Rechtsstaates, die Sie hier ohne Not mittragen.
Warum dulden Sie derart massive Eingriffe in die demokratischen Grundprinzipien? Warum dulden Sie, dass der Rechtsstaat auf dem Basar grüner Parteipolitik verramscht wird? Und warum dulden Sie den damit einhergehenden Glaubwürdigkeitsverlust Ihrer Regierung?
Sie sind der Ministerpräsident des Freistaates Thüringen und wir erwarten hier von Ihnen eine klare Positionierung und ein ehrliches Interesse für unser Anliegen. Wir fordern, die sofortige Abschaltung der Wasserkraftanlagen in der Westringkaskade bis zur Durchführung eines ordnungsgemäßen wasser- und naturschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens für den Betrieb der Wasserkraftanlagen in der Westringkaskade. Die Feststellung vermeintlicher alter Wasserrechte ist nichtig. Den Wasserkraftanlagen in der Westringkaskade fehlt damit die Gestattung für den Betrieb. Das ist behördlich durchzusetzen.
Wir haben nach wie vor die Hoffnung, dass es hier zu Einsicht und Wandel kommt und mit dem Wechsel an der Spitze des TMUEN Fehler korrigiert werden und dass die von uns verlangte Ehrlichkeit im Verfahren auch von den Beteiligten TMUEN, TLUBN, TFW usw. gelebt wird.
Vielen Dank im Namen der Apfelstädt,
Markus Kaufmann.
Der Brief im Original als Download:
https://www.lavt.de/wp-content/uploads/2023/01/02.01.2023_Brief-MP-Bodo-Ramelow.pdf